Wechselhafter Würfel
Wenn das Gehirn durcheinander gerät, können seltsame Dinge passieren.
Manche Objekte oder Figuren sind «mehrdeutig», d. h. sie bieten einen visuellen Input, den unser Gehirn auf mehr als eine Weise interpretieren kann. In diesem Experiment konstruieren wir einen dreidimensionalen Würfel, der sich zu bewegen scheint, wenn wir ihn mit nur einem Auge betrachten.

Werkzeuge und Materialien
- Zwölf gleich lange Trinkhalme (nach Möglichkeit keine durchsichtigen Halme)
- Genug Pfeifenputzer für 8 etwa 15cm lange Stücke
- Schere

Vorbereitung
- Schneide von den Pfeifenputzern acht Stücke von je 15 cm Länge ab.
- Biege die Pfeifenputzer zu dreibeinigen Winkelelementen (siehe Foto)
- Baue mit den Halmen und Pfeifenputzern einen Würfel, indem du die Winkelelemente in die Enden der Trinkhalme steckst (siehe Hauptfoto oben) und sie dann so zueinander biegst, dass 90°-Winkel zwischen den Halmen entstehen.

Was tun und beobachten?
Lege den Würfel auf den Boden und stell dich im Abstand von 0,5 bis 1 Meter davor. Stell dich so hin, dass du auf eine der vertikalen Kanten des Würfels schaust und nicht auf eine der flachen Seiten. Pass deinen Abstand so an, dass du die obere Ecke, die dir am nächsten ist, ungefähr in der Mitte des unteren Quadrats siehst (wie auf dem Foto ganz oben).
Schliesse ein Auge und schau den Würfel direkt an.
Versuche, am Würfel «vorbeizuschauen» – oder konzentriere den Blick auf die hintere untere Ecke und «lass» den Würfel auf dich zukommen. Versuche, deine Aufmerksamkeit nicht auf die Stellen zu richten, an denen sich die Trinkhalme kreuzen. Wenn das Experiment funktioniert, sollte es so aussehen, als würde der Würfel plötzlich auf einer Kante oder sogar auf einer Ecke stehen, und nicht auf einer der Seiten.
Wenn du diesen Effekt bemerkst, halte den Blick auf den Würfel gerichtet und lehne dich leicht nach links und rechts. Dreht sich der Würfel mit?
Wenn du das andere Auge öffnest, wird die Illusion normalerweise zerstört.
Hinweis: Wie bei allen Wahrnehmungs-Experimenten funktioniert auch dieser Versuch nicht mit allen Personen. Besprich deine Beobachtungen mit anderen Personen, um herauszufinden, wie unterschiedlich eure Wahrnehmung ist!

Was passiert da?
Wenn du die Illusion gesehen hast, schien dir die hintere untere Ecke des Würfels näher zu sein als die vordere obere Ecke. Das passiert, weil durch das Schliessen eines Auges die räumliche Wahrnehmung beeinträchtigt wird. Normalerweise liefert uns die Stereovision beider Augen genügend Informationen, um den Würfel richtig zu interpretieren, weshalb die optische Täuschung verschwindet, wenn wir beide Augen öffnen.
Warum scheint sich der umgekehrte Würfel zu drehen, wenn wir unsere Blickrichtung ändern? Versuche Folgendes: Schliesse ein Auge, halte einen Zeigefinger auf Armeslänge und richte ihn auf einen weit entfernten Bezugspunkt aus, z. B. ein Bild an der Wand. Wenn du den Kopf nach rechts dreht, scheint sich der Finger vom Bezugspunkt aus nach links zu bewegen, bzw. der Bezugspunkt wandert nach rechts vom Finger weg.
Wenn du die Würfel-Illusion siehst und dabei deinen Kopf zu einer Seite bewegst, erwartet das Gehirn, dass sich die Teile des Würfels, die dir am nächsten sind, auf die andere Seite bewegen (wie vorher der Finger). Aber die Teile des Würfels, die dein Gehirn als die nächstgelegenen wahrnimmt, sind in Wirklichkeit die Teile, die weiter entfernt sind – sie bewegen sich also stattdessen in die andere Richtung (wie vorher der Bezugspunkt). Unser Gehirn versucht, wie immer, sich einen Reim auf die Situation zu machen, und interpretiert den visuellen Input so gut es geht: Es «sieht», wie sich das Objekt dreht, um eurem Blick zu folgen.
Optische Täuschungen sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch Gegenstand ernsthafter neurowissenschaftlicher Untersuchungen. Die «Fehler», die unser Gehirn macht, geben Aufschluss über unseren Wahrnehmungsprozess.